Aus dem Lokalsportteil

Die richtige Kleidung ist wichtig: Die Schwimmer lassen sich in Lindau durch ein Paar Regentropfen die gute Laune nicht verderben.

Die richtige Kleidung ist wichtig: Die Schwimmer lassen sich in Lindau durch ein Paar Regentropfen die gute Laune nicht verderben.

Nasse Schwimmer bleiben gut gelaunt

LINDAU - In der Nacht auf Freitag dürfte den Organisatoren der Deutschen Freiwassermeisterschaften das Herz kurzfristig in die Hose gerutscht sein: Ein Gewitter mit Regengüssen, wie es lange nicht mehr über Lindau erlebt wurde, ging nieder. Doch der Freitagvormittag beginnt mit trockenem Wetter und moderaten Temperaturen.

 

Von unserer Mitarbeiterin Susi Donner

Es ist der Tag, an dem die meisten Wettkämpfe stattfinden sollen. Die Männer und männlichen Jugendlichen schaffen es noch, ihre fünf Kilometer zu schwimmen. Thomas Lurz gewinnt mit kurzem Vorsprung vor Jan Wolfgarten. Die beiden Würzburger Schwimmer haben sich in dieser Disziplin für die WM in Rom qualifiziert. Es sollen zwei Durchgänge Frauen und weibliche Jugendliche auf fünf Kilometer folgen. Die Schwimmerinnen werden aufgerufen, vorgestellt und eingewiesen. Kurz bevor der Wettkampfrichter sie ins Wasser entlässt meint er noch, dass starker Regen angekündigt sei.

Am Start wuselt es wie in einem Haifischbecken. Jede sucht sich die beste Startposition. Das Lied der Rockgruppe Deep Purple „Smoke on the Water“ tönt aus dem Lautsprecher, der Startschuss fällt und das Feld schwimmt zielstrebig auf den See hinaus. Zwei Minuten später ist das schwimmende Sommerfest vorerst beendet. Strömender Regen treibt die Leute in die Zelte. Dann ein Blitz und ein Donner. Das Signal zum Abbruch ertönt beinahe zeitgleich. Bei Gewitter müssen die Schwimmerinnen sofort raus aus dem Wasser. Sie haben noch nicht einmal die ersten 1000 Meter geschafft, aber Sicherheit geht vor. „Da kann man nichts machen“, sagt Shila Sheth, die Referentin für Freiwasserschwimmen beim DSV. „Die Sache mit dem Wetter kann eben manchmal schwierig sein.“ Wie geht es nun weiter? Zuerst muss sicher sein, dass alle Schwimmerinnen aus dem Wasser sind. Dann heißt es Ruhe bewahren. Das Wetter abwarten und Entscheidungen fällen.

Läufe werden durchgezogen

Zwei Stunden später vermelden alle Wetterdienste zwar Regen, aber keine Gewitterfront mehr. Die ausstehenden Läufe werden so gut es geht durchgezogen. „Nach jedem Tief kommt wieder ein Hoch“ meint auch Wilfried Fuchs, der Vorsitzende der TSV-Schwimmer, optimistisch. Ganz gelassen sind die jugendlichen Lindauer Teilnehmer vom TSV 1850. Sie haben ihren Wettkampf auf 2,5 Kilometer schon hinter sich und sind zufrieden, weil sie durchgekommen sind. Melanie Bodler erzählt, dass der Start ziemlich chaotisch war. „Ich bin dann einfach losgeschwommen. Es war anstrengend. Als ich meinen Rhythmus gefunden hatte ging es.“ Die Treppen sei sie am Ende kaum mehr hochgekommen. Ihre erste Frage galt ihrer Freundin und Schwimmkonkurrentin Anna Maurer: „Ist Anna schon da?“ Anna Maurer wiederum wollte beim Start losschwimmen, blieb aber stehen und ließ alle anderen durch. „Erst dachte ich, egal jetzt bin ich eh die Letzte. Dann habe ich Gas gegeben und kam doch beinahe im Mittelfeld ins Ziel.“ Ihre Motivation sei gewesen: „Dabei sein ist alles.“ Angie Aigner ist vom Start weg weit vorn mitgeschwommen. „Der Start war heftig. Ich war mittendrin und andere Schwimmer sind über mich weggeschwommen. Ich habe mich voll reingehängt, bin ein gleichmäßiges Tempo geschwommen und habe gut durchgehalten.“ Sie ist zufrieden mit sich, weil sie ihre persönliche Zeit verbessert hat. Matthias Moser wurde beim Start sogar am Bein gezogen. „Aber nach dem Start, als sich das Feld etwas auseinandergezogen hatte, ging es.“

 

Ein Weltmeister zum Anfassen: Thomas Lurz beantwortet nach dem Rennen ganz locker die Fragen von Moderator Peter Wichert. Foto: Susi Donner

Ein Weltmeister zum Anfassen: Thomas Lurz beantwortet nach dem Rennen ganz locker die Fragen von Moderator Peter Wichert. Foto: Susi Donner

David Jeschke ist fünf Kilometer geschwommen und erzählt, dass er im Wasser „ganz übel geschwitzt“ habe. „Es war echt anstrengend. Irgendwann habe ich meine Finger nicht mehr gespürt. Aber ich habe es geschafft und das ist jetzt ein gutes Gefühl.“ Den Start empfanden sie alle als Stresssituation und die Temperaturen des Bodensees als lustig: „Durch die Strömungen waren da Schwankungen von Badewannentemperatur bis Eiskanal.“ Die gesamte Veranstaltung gefällt den jungen Lindauer Schwimmern gut: „Mit unseren Vorbildern auf der gleichen Meisterschaft zu schwimmen ist toll. Wir sind mit vielen von ihnen ins Gespräch gekommen. Sie sind sehr nett und wir haben stapelweise Autogramme bekommen“, erklären sie strahlend.

Nachgefragt: Interview mit Shila Sheth

“Sportart gewinnt an Bedeutung”

Bei den Deutschen Meisterschaften im Freiwasserschwimmen ist die Schwimm-Elite angetreten, um sich Tickets für die WM in Rom zu holen. Shila Sheth aus Wiesbaden, 31 Jahre, Diplom-Sportwissenschaftlerin, ist überzeugt, dass diese Sportart zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. SZ-Mitarbeiterin Susi Donner sprach mit ihr.

 

Shila Sheth, Referentin Freiwasserschwimmen des Deutschen Schwimm-Verbandes, fühlt sich in Lindau wohl. Foto: Susi Donner

Shila Sheth, Referentin Freiwasserschwimmen des Deutschen Schwimm-Verbandes, fühlt sich in Lindau wohl. Foto: Susi Donner

LZ: Frau Sheth, was sind die Besonderheiten beim Freiwasserschwimmen?
Shila Sheth: Freiwasserschwimmen ist seit 2005 olympische Disziplin und deshalb noch eine sehr junge und aufstrebende Sportart. Zuvor gab es sie natürlich auch, aber in ganz anderen Dimensionen. Freiwasserschwimmen hat enorm an Bedeutung gewonnen und dieser Bedeutung wird auch im Training mit neuen Trainingsmethoden Rechnung getragen. Früher fand Freiwasserschwimmen meist in ruhigem, flachem Gewässer statt, weshalb die Hallenbadschwimmer im Vorteil waren. Heute, bei den Langstrecken im offenen Gewässer, mit Wellen, Wind und Wetter steht neben der Ausdauer eine gewisse Grundschnelligkeit im Vordergrund; denn der erfolgreiche Freiwasserschwimmer muss auch im Bereich 800 und 1500 Meter gut sein, weil im Freiwasser für eine gute Wertung nun mal auch die Geschwindigkeit zählt.
LZ: Wie viele Freiwasserschwimmer hat die Deutsche Nationalmannschaft?
Shila Sheth: Die Nationalmannschaft der Freiwasserschwimmer besteht aus je einem A-, B- und CKader. Im Deutschen A- und B- Kader schwimmen etwa 20 Personen. Der C-Kader ist das Übungskader. Wenn wir von der internationalen Spitze reden, sind das vier bis fünf Personen. Allen voran Thomas Lurz aus Würzburg und Angela Maurer aus Mainz. Die beiden sind Institutionen im Langstreckenschwimmen, haben viele Titel gewonnen, sind beide sowohl Olympioniken als auch Weltmeister und haben auch hier in Lindau das Prestige-Rennen über zehn Kilometer gewonnen. Sie gehören sozusagen noch zur älteren Generation der Freiwasserschwimmer. Erst nach und nach wird bei den Freiwasserschwimmern ein Wechsel stattfinden. Der Nachwuchs wird jetzt schon auf Olympia 2012 und langfristig bereits auf 2016 vorbereitet. Eben weil das Freiwasserschwimmen erst seit ein paar Jahren olympische Disziplin ist, ist die Jugendaufbauarbeit so wichtig und die Chancen für die Athleten vorn dabei zu sein groß.
LZ: Und wie gefällt es Ihnen in Lindau?
Shila Sheth: Sehr gut. Das liegt zum einen an der wunderschönen Kulisse. Und dann an der Organisation des Veranstalters. Die ist wirklich vom Allerfeinsten. Herausragend ist auch die Herzlichkeit, die hier herrscht. Wir vom DSV fühlen uns vom TSV 1850 Lindau sehr willkommen und in Lindau sehr wohl. Wir sind wirklich sehr gerne hier.

Schnellste ist die Langsamste

LINDAU (sd) - Sie ist einmal quer durch die ganze Republik gefahren um in Lindau dabei zu sein: Haide Klüglein aus Flensburg. Die 70-Jährige ist die älteste Schwimmerin in der Mastersklasse und sie hat eine besondere Eigenart: Sie misst – egal wo sie schwimmt – die offiziell genannten Wassertemperaturen nach. Auch in Lindau. Knapp Tausend Kilometer ist sie gefahren, um fünf Kilometer durch den Bodensee zu schwimmen. Haide Klüglein schwimmt in der Mastersklasse und ist in ihrer Leistungsklasse die einzige Frau, die heute an den Start geht. „Dadurch bin ich von vornherein gleichzeitig die schnellste und auch die langsamste Schwimmerin. Ich kann nur Erste werden, aber nach mir kommt niemand mehr in der Wertung“, betont sie. Allerdings muss sie, um gewertet zu werden, in der Richtzeit von zweieinhalb Stunden bleiben. Trödeln ist also nicht angesagt.

Dabei hat sie doch unterwegs etwas zu tun: Klüglein misst, wann immer sie einen Wettkampf schwimmt, die offizielle Wassertemperatur mit einem Babythermometer nach, das sie beim Schwimmen immer dabei hat. Warum macht sie das? „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, lacht sie. „Die Masters haben im Wettkampf eine Mindesttemperatur von 18 Grad, unter der sie auf keinen Fall schwimmen sollen. Ist das Wasser kälter, dann schwimme ich nicht. Und deshalb will ich die Wassertemperatur genau wissen.“ Am ersten Wettkampftag bei den Deutschen Meisterschaften hat sie an fünf Stellen nachgemessen und fand das Wasser über ein Grad wärmer als die offiziell genannten 18,5 Grad vor. „Allerdings ist mein Thermometer nicht geeicht. Das ist rein für mich zur Beruhigung.“

 

70-Jährige nimmt viele Kilometer in Kauf, um bei den Meisterschaften dabei zu sein. Foto: Susi Donner
70-Jährige nimmt viele Kilometer in Kauf, um bei den Meisterschaften dabei zu sein. Foto: Susi Donner

 

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